3.1.1.5 Bemerkungen zu "kontextabhängigen" Deutungen

Neben den unmittelbar auf die abgebildeten Personen bezogenen Merkmalen ist häufig der Kontext, in dem diese dargestellt werden, ausschlaggebend für eine ethnische Deutung. Oft ergeben sich aber bei dieser "kontextorientierten" Auslegung deutliche Widersprüche.

Auf einer von Epitimos signierten Kleinmeisterschale, die zu den Beständen des Nationalmuseums zu Kopenhagen gehört, befindet sich auch die Darstellung zweier in einen Kampf verwickelten Peltasten (Friis Johansen 1961, 132 Abb. 7.8; Best 1969, Taf. 1a-c). K. Friis Johansen datierte die Schale kurz nach 550 v.Chr. (Friis Johansen 1961, 140). Die beiden dargestellten Kämpfer tragen etwa knöchelhohe Stiefel und einen am Saum mit einem breiten Band verzierten Chiton unter einem Chlamys 54. Auch wenn J.G.P. Best urteilte, daß die Unterschiede zwischen den beiden Peltasten in der Bekleidung eher unbedeutend seien (Best 1969, 6), so heben sie sich in einem durchaus bedeutenden Punkt voneinander ab: während einer der beiden Kämpfer barhäuptig dargestellt ist, trägt der andere eine spitze Mütze, die Friis Johansen als "vom skythischen Typ" bezeichnete (Friis Johansen 1961, 142). Da aber "andere charakteristische Kleidungsstücke wie skythische Hosen" fehlen würden, erklärte es Best als unmöglich, diesen Kämpfer eindeutig als einen Skythen identifizieren zu können (Best 1969, 6). Und auch Friis Johansen urteilte mit seiner Bestimmung des spitzmützigen Peltasten als " Nicht-Griechen" bzw. als "nördlichen Barbaren" sehr vorsichtig (Friis Johansen 1961, 143).

Auf einer in München aufbewahrten Amphora ist ein Gefecht zwischen vier Kämpfern dargestellt (Best 1969, Taf. 2; Raeck 1981, Abb. 37). Zwei dieser Krieger werden wegen der über ihren Chitons getragenen Mäntel, die mit geometrischen Mustern versehen sind, durchweg als Thraker identifiziert. Während aber für J.G.P. Best allein das Tragen dieses Zeira genannten Mantels für diese Bestimmung ausschlaggebend war (Best 1969, 6), zählte W. Raeck auch die Bewaffnung mit der Pelta und das Tragen der Alopekis genannten Mütze als Gründe für seine Einordnung auf (Raeck 1981, 83). Zwar fiel auch Raeck die "unterschiedliche Form" der beiden als Alopekis, der typischen thrakischen Fellmütze, bezeichneten Kopfbedeckungen auf, aber er tat diesen Umstand als "antiquarische Unkorrektheit" ab (Raeck 1981, 261 Anm. 340). Best hingegen bezeichnete nur eine der beiden Mützen als Alopekis, während er die andere als Spitzmütze beschrieb, die er zudem mit den Mützen der beiden weiteren dargestellten Krieger verglich (Best 1969, 6). Interessanterweise ist einer dieser weiteren mit spitzer Mütze abgebildeten Kämpfer ein kniender Schütze mit "skythischem" Bogen, dessen Kleidung ansonsten aus einem Chiton besteht, dessen Saum mit einem breiten Band verziert ist. Während sich Raeck bezüglich des spitzmützigen Bogenschützen und des ebenfalls mit spitzer Mütze dargestellten Reiters nur zu einer Bestimmung als "nördliche Barbaren" entschließen konnte - damit eine spezielle Bestimmung als Skythen vermeidend - (Raeck 1981, 83), läßt eine Bemerkung von Best eher darauf schließen, daß er auch diese beiden Krieger als Thraker identifizierte: das Vasengemälde gebe einen Hinweis darauf, daß Peisistratos in Thrakien nicht nur Peltasten rekrutiert habe, sondern auch Reiter und Bogenschützen (Best 1969, 6). Best ordnete demnach die Merkmale Kopfbedeckung und Bewaffnung, die nach ansonsten üblicher Ansicht auf Skythen deuten würden, dem Kontext der Gesamtdarstellung unter. Demnach müßten allerdings die dieser "kontextorientierten" Auslegung widersprechenden Merkmale Kopfbedeckung und Bewaffnung unter Umständen in ihrer Ausprägung einer gewissen künstlerischen Freiheit unterlegen haben, die es dem Maler gestattete, auch unabhängig vom Bezug der darstellten Handlung das Aussehen der abgebildeten Personen zu variieren.


54 Die Identifizierung als "griechischer" Chlamys begründet sich mit dem Umstand, daß dieser Mantel im Unterschied zum gemusterten thrakischen Wollmantel, der sogenannten Zeira, ohne Muster dargestellt ist.


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