Unter den Barbarenvölkern, mit denen die Griechen in Kontakt getreten sind, nehmen die Perser eine Sonderstellung ein, welche sich auch im Werk Herodots widerspiegelt. Dessen zentrale Aufgabe soll nämlich, wie Herodot in der Einleitung zu seinem Werk selbst angibt, die Darstellung der Ursachen der Auseinandersetzungen zwischen Hellenen und Persern sein.
Der Bericht über den Feldzug des Xerxes gegen Griechenland gibt Herodot Anlaß, die auf persischer Seite teilnehmenden Völker bzw. deren Kleidung und Bewaffnung zu beschreiben, wobei die Perser als erste genannt werden (Hdt. VII 61): Das persische Fußvolk trug auf dem Kopf die sogenannte Tiara, einen weichen Hut; den Oberkörper schützte ein farbiger, mit langen Ärmeln versehener Panzerrock aus fischschuppenartigen Eisenlamellen 244, während der Unterkörper mit Hosen bekleidet war 245. Die Perser trugen geflochtene Schilde, unter denen während des Marsches der Köcher mit Pfeilen hing. Die eigentliche Bewaffnung bestand aus kurzen Lanzen, einem großen Bogen mit Rohrpfeilen und einem an der rechten Hüfte vom Gürtel herabhängenden Dolch 246. Die persische Reiterei soll mit der gleichen Ausrüstung wie das persische Fußvolk ausgestattet gewesen sein, nur daß einige der Reiter zusätzlich noch bronzene oder eiserne Helme getragen hätten (Hdt. VII 84,1) 247.
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Abb. 21: Skythischer Reiter des 6. Jh. v.Chr. (nach Befund aus dem Kurgan von Scucinka im Gebiet von Kiew)
(nach Cernenko 1991, 132 Abb. 1).
Von dieser Beschreibung weichen die Angaben über die Perser, die Herodot dem Aristagoras von Milet anläßlich seines Besuches in Sparta in den Mund legt, nur unwesentlich ab: "Die Barbaren sind schlechte Krieger, ... Ihre Kampfesweise ist folgende: Sie haben Bogen und kurze Speere und gehen in Hosen und mit Hüten auf dem Kopf in die Schlacht; so leicht ist es, sie zu besiegen" (Hdt. V 49,3). Daß Aristagoras "von der persischen Kampfesweise [berichtete], daß die Perser ... weder Schild noch Lanze führen und leicht zu besiegen seien" (Hdt. V 97,1), entsprach sicherlich dem Zweck der Reise des Milesiers in das griechische Mutterland, dort Verbündete für den Kampf gegen die Perser zu gewinnen. Demgemäß war es geraten, dem potentiellen Verbündeten den persischen Gegner möglichst schwach zu schildern 248.
Allerdings habe diese von Herodot beschriebene persische Ausrüstung nach seiner eigenen Aussage derjenigen der Meder entsprochen 249, von denen die Perser sie im übrigen übernommen haben sollen (Hdt. VII 62,1). Wie aber die Perser gekleidet und mit Waffen ausgestattet waren, bevor sie diese angeblich medische Ausrüstung übernahmen, berichtet Herodot ebensowenig, wie er es auch versäumt anzugeben, zu welchem Zeitpunkt diese Übernahme stattgefunden haben soll. Es drängt sich der Eindruck auf, daß Herodot über die Kleidung und Bewaffnung der Perser keine allzu genauen Kenntnisse besaß, weil seine Beschreibungen der persischen Kostüme und Waffen geradezu diametral zu den Darstellungen von Persern auf den Persepolisreliefs stehen (vgl. Armayor 1978b, 5). Zwar gibt er an insgesamt vier Stellen an, daß die Perser "medische Hosen" getragen hätten (Hdt. I 171; III 76; V 49; VII 61), aber keine einzige sicher als Perser zu identifizierende Person auf den Reliefs ist mit Hosen dargestellt. Untersuchungen zu den auf den achämenidischen Reliefs abgebildeten persischen Gardesoldaten 250 belegen weiterhin, daß zumindest seit der Zeit des Dareios bei diesen eine Bewaffnung gebräuchlich gewesen zu sein scheint, welche nicht der medischen, sondern der elamischen entsprach (vgl. Hinz 1969, 79.89). Herodot wußte also allem Anschein nach nicht, daß die Perser - zumindest bei bestimmten Gelegenheiten - eine andere Tracht trugen als die Meder.
244 | An anderer Stelle erwähnt Herodot, daß die Perser im Kriege den "ägyptischen Brustpanzer" trügen (Hdt. I 135). |
245 | Herodot läßt einen Lyder namens Sandanis seinem König Kroisos folgendes sagen: "Oh König, du rüstest dich gegen Männer zu ziehen, die Hosen aus Leder tragen und auch sonst lederne Kleidungsstücke" (Hdt. I 71,2). |
246 | An anderer Stelle nennt Herodot als typische Waffe der Perser das Akinakes genannte Schwert (Hdt. VII 54,5). |
247 | Diese von Herodot geschilderte Ausstattung der Perser läßt sich mit archäologischen Befunden vergleichen, die bei skythischen Fundkomplexen beobachtet wurden (vgl. Abb. 21 und Abb. 22). |
248 | Zwar drängt sich der Eindruck auf, daß die von Herodot an anderer Stelle gegebene Beschreibung der aufwendigen persischen Panzerung mit Panzerröcken aus fischartigen Eisenschuppen der Überbewertung des später von den Griechen besiegten Gegners dienen sollte. Aber für die Zeit der Alexanderfeldzüge berichtet auch Arrianus von der schweren Panzerung der persischen Reiterei (Arr. anab. II 11,3), und Curtius Rufus schildert diese ausdrücklich als schwerfällig infolge ihrer Schuppenpanzer: "Equi pariter equitesque Persarum, serie laminarum graves" (Curt. III 11,15; vgl. IV 9,3). |
249 | "Medische Tracht" berichtet Herodot auch von den nördlich des Istros siedelnden Sigynnern (Hdt. V 9). Unklar ist aber, ob der Behauptung Herodots, daß diese Sigynner sich selbst als ausgewanderte Meder bezeichnet hätten, Glauben geschenkt werden darf, zumal auch Herodot keine Erklärung für diese Wanderung liefern kann. |
250 | Die herodotische Beschreibung des persischen Heerzuges verdeutlicht, daß Herodot bei seiner Schilderung der persischen Soldaten von den Erzählungen über die königlichen Leibgardisten, welche häufig die "Unsterblichen" genannt wurden, angeregt wurde (vgl. Hdt. VII 40.41). |
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