10 Die Kimmerier: Abschließende Betrachtungen

Ausgehend von den Nachrichten, die Herodot bezüglich der Kimmerier überliefert hat, konnte nur ein grober chronologischer Rahmen für die Ereignisse erstellt werden, die in Kleinasien stattgefunden haben. Zwar läßt sich mittels der von Herodot überlieferten Daten zu den lydischen und medischen Regenten ein Chronologiegerüst erstellen, aber die mit den Kimmeriern in Verbindung stehenden Ereignisse werden von Herodot lediglich unpräzise innerhalb der Regierungszeiten einzelner Herrscher fixiert. Die Eroberung von Sardes durch die Kimmerier zur Zeit des Ardys kann nur durch die Kombination von Angaben des Herodot zur lydischen, medischen und ägyptischen Geschichte sowie unter Berücksichtigung der behaupteten Gleichzeitigkeit der Einfälle von Kimmeriern und Skythen in den Vorderen Orient bzw. nach Kleinasien in eine Zeit um 630 v. Chr. bestimmt werden. Für die Vertreibung der Kimmerier aus dem kleinasiatischen Bereich durch Alyattes, den Enkel des Ardys, kann anhand der von Herodot überlieferten Informationen überhaupt kein genauerer Zeitpunkt angegeben werden, womit für das Verbleiben der Kimmerier lediglich mit dem - allerdings aus den Daten des Herodot errechneten - Todesjahr des Alyattes 560 v. Chr. ein terminus ante quem gegeben ist. Es ist also festzuhalten, daß sich aus den Angaben des Herodot Aktivitäten der Kimmerier in Kleinasien zwischen rund 630 und längstens 560 v. Chr. errechnen lassen.

In Strabons Geographica finden sich mehrere Angaben, welche zu Korrekturen des aus den Angaben des Herodot gewonnenen Geschichtsbildes zwingen, wobei im besonderen darauf hinzuweisen ist, daß mit von Strabon angeführten Gewährsleuten wie Kallinos diesem Zeitgenossen der Kimmerierstürme in Ionien als Informationsquellen zur Verfügung standen. So muß mit dem ersten Auftreten von Kimmeriern in Kleinasien wesentlich früher gerechnet werden, als es die auf Informationen des Herodot beruhenden Berechnungen erwarten lassen. Indem Strabon als Grund für den - allerdings von Herodot unerwähnten - Selbstmord des phrygischen Königs Midas einen Einfall von Kimmeriern in Phrygien angibt, muß mit den ersten Aktivitäten von Kimmeriern in Anatolien bereits am Anfang des siebten Jahrhunderts v. Chr. gerechnet werden, und nicht erst in der zweiten Hälfte des siebten Jahrhunderts, wie sich aus den Daten des Herodot errechnen ließ. Weiterhin berichtet Strabon, sich hierbei auf Kallinos berufend, von zwei Eroberungen der lydischen Hauptstadt, während Herodot nur von einer Eroberung von Sardes durch Kimmerier Kenntnis hat. Der bereits nach unten korrigierte Ansatz für das erste Auftreten der Kimmerier erlaubt es hierbei, schon für den Lyderkönig Gyges eine erste Einnahme von Sardes anzunehmen. Die Identifizierung des Gyges als der in assyrischen Quellen genannte Gûgu von Luddi ermöglicht unterdessen für den ersten Vorstoß von Kimmeriern nach Lydien eine absolutchronologische Einordnung. Assyrische Quellen, die von einem Abfall Ägyptens unter Psammetichos von der assyrischen Oberherrschaft berichten, erlauben es nämlich, eine Verbindung zwischen diesem Anführer der ägyptischen Revolte, Psammetichos, und dem Lyderkönig Gyges herzustellen. Die Berichte geben Auskunft über Auseinandersetzungen des Gûgu von Luddi genannten Gyges mit Gimirrai, die letztlich zum Tod des Gûgu geführt haben sollen. Dieser früheste mittels schriftlicher Quellen nachweisbare Vorstoß von Gimirrai in Richtung Lydien hat spätestens im Jahr 652 v. Chr. stattgefunden. Wenn diese Gefahr aber der Grund für die in den assyrischen Dokumenten verzeichnete lydische Gesandtschaft an den assyrischen König Assurbanipal gewesen sein soll, muß die von den Gimirrai ausgehende Bedrohung für Lydien bereits vor 660 v. Chr. zu verspüren gewesen sein. Somit kann bereits für den Beginn des siebten Jahrhunderts v. Chr. mit Kimmeriern im westlichen Kleinasien gerechnet werden, wobei sich deren Aktivitäten im Bereich zwischen Phrygien und Ionien über mehrere Jahrzehnte erstreckt haben müssen.

Wichtig ist weiterhin, daß Strabon mehrere Hinweise darauf gibt, daß einige Begebenheiten, die von Herodot pauschal den Kimmeriern zugerechnet werden, sich zumindest unter Beteiligung weiterer Völker ereignet haben. Die sich aus diesem Sachverhalt ergebende Frage, inwieweit die "ethnischen" Verwandtschaften den griechischen Berichterstattern eine Unterscheidung der beteiligten Gruppierungen erschwerte und damit zu dem konfusen Gesamtbild führte, muß jedoch unbeantwortet bleiben. Es ist aber festzuhalten, daß nicht von einer "ethnischen Einheitlichkeit" der Kräfte ausgegangen werden muß, die für die von Herodot allein "Kimmeriern" zugeschriebenen Ereignisse verantwortlich waren.

Die Behauptung des Herodot, daß das Erscheinen der Kimmerier in Kleinasien als unmittelbare Folge ihrer Vertreibung aus der nordpontischen Heimat durch die Skythen verursacht wurde, wird durch ihn selbst schwer erschüttert. Während mit den von Herodot für diese Hypothese als Gewährsleute angeführten "Hellenen und Barbaren" - eindeutig sind hiermit griechische und nichtgriechische Bewohner Kleinasiens gemeint - Zeugen benannt werden, deren direkte Erfahrungen mit den Kimmeriern und den Skythen sich auf den kleinasiatischen Raum beschränkten, werden von Herodot für Erzählungen, welche die Skythen als Ureinwohner des nordpontischen Bereichs nennen, mit den Skythen selbst und "pontischen" Griechen glaubhaftere Zeugen benannt. Zudem ergibt die Überprüfung der Aussagen Herodots zu den von Kimmeriern und Skythen gewählten Marschwegen unter Zuhilfenahme heutiger geographischer Kenntnisse, daß diese Routen kaum wahrscheinlich sind. Ebenso spricht der zeitliche Ablauf der Ereignisse, der ein Erscheinen der Kimmerier im Vorderen Orient über 50 Jahre vor dem der Skythen verzeichnet, gegen eine Verdrängung dieser Kimmerier durch Skythen aus Gebieten, die außerhalb Kleinasiens zu suchen wären.

Die große Mühe, die sich Herodot gibt, um zu beweisen, daß Kimmerier die Vorgänger der Skythen in den nordpontischen Steppen waren, läßt vermuten, daß zuvor keine sehr starke Tradition bestanden haben kann, die Kimmerier in diesem Gebiet kannte. Herodot selbst berichtet sowohl im Rahmen einer den Feldzug des Pharaos Sesostris nach Skythien behandelnden Erzählung - zeitlich klar vor der angeblichen Vertreibung der Kimmerier -, als auch im Zusammenhang mit mythologischen Themen wie den Amazonen von einer skythischen Besiedlung der nördlichen Schwarzmeerküste. Allerdings scheint Herodot der Ansicht gewesen zu sein, daß die geographische Verteilung der Völker zu seiner Zeit den Endzustand einer umfangreichen Völkerverschiebung darstellte. Weil ihm von einigen der an der Wanderung beteiligten Völker - so den Skythen und den Massageten - die "Endpositionen" der Wanderungen bekannt waren, glaubte Herodot wohl, die Marschrouten zurückverfolgen zu können, indem er jeweils dem verdrängten Volk denjenigen Raum als Ausgangsgebiet zuwies, welchen das entsprechend verdrängende zu seiner Zeit innehatte. Somit müßte der von den Massageten eingenommene Bereich anfänglich das Siedlungsgebiet der Skythen gebildet haben, während die zur Zeit des Herodot von den Skythen besiedelte Region nördlich des Schwarzen Meeres ursprünglich von den Kimmeriern besetzt gewesen wäre. Die Kimmerier wiederum seien, hierbei dem Druck der Skythen weichend, nach Kleinasien ausgewandert.

Als älteste Nennung der Kimmerier in einem griechischen Text gilt deren Erwähnung in der Odyssee als Anwohner des Okeanos in unmittelbarer Nähe zum Eingang zur Unterwelt. Mit der in das achte Jahrhundert v. Chr. gesetzten Entstehungszeit der schriftlichen Fassung der homerischen Epen wurde die Nennung dieses Namens als Beleg für eine Kenntnis der Griechen von den Kimmeriern als Bewohner einer Gegend im fernen Nordosten - wo ein Eingang zur Unterwelt vermutet werden konnte - vor ihrem ersten bezeugten Auftreten in Kleinasien gewertet. Diese Nekyia genannte Passage der Odyssee, die von den Kimmeriern berichtet, daß sie am Ufer des weltumspannenden Okeanos leben, muß allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit als später orphischer Einschub angesehen werden, der wohl erst im Zuge der sogenannten Peisistratidischen Redaktion in der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts v. Chr. erfolgt ist. Wenn aber die Erwähnung der Kimmerier hierbei zur Verstärkung des Eindrucks dienen sollte, daß die Irrfahrten des Odysseus im Bereich des Schwarzen Meeres stattgefunden haben - im Unterschied zu der sicher auch vorkommenden Ansicht, daß diese Fahrt durch das westliche Mittelmeer führte -, muß die von Herodot vertretene Meinung, daß die Kimmerier einst an der nördlichen Schwarzmeerküste siedelten, bereits in der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts bekannt gewesen sein. Daß man sich ausgerechnet in dieser Zeit bemühte, die frühen Abenteuer griechischer Seefahrer in östliche bzw. nordöstliche Meeresgegenden zu verlagern, könnte dabei mit der Verschlechterung der Beziehungen zwischen den Griechen und den Etruskern bzw. Karthagern im Westen ab etwa der Mitte dieses Jahrhunderts zusammenhängen, wobei der griechische Seehandel in das westliche Mittelmeer nach der Seeschlacht bei Alalia im Jahr 540 v. Chr. so gut wie zum Erliegen kam.

Damit scheidet aber Herodot als "Erfinder" der Theorie, daß die ursprüngliche Heimat der Kimmerier im nordpontischen Bereich lag, aus. Indem Strabon allerdings unter den Vorgängern und Lehrern des Homer auch den Aristeas von Prokonnesos nennt, wird eine Verbindung zwischen den homerischen Epen und der Erzählung des Herodot hergestellt, weil Herodot den Aristeas als Zeugen für seinen Bericht von der Vertreibung der Kimmerier durch die Skythen anführt. Auch wenn sich dessen Lebenszeit nicht präzise bestimmen läßt, kann sie grob ins siebte Jahrhundert v. Chr. gesetzt werden, womit ein Redaktor der Epen Homers in peisistratidischer Zeit die "Arimaspea" des Aristeas gekannt haben könnte. Allerdings können stichhaltige Gründe dafür angeführt werden, daß sich die von Aristeas berichteten Ereignisse nicht unbedingt im pontischen Bereich abgespielt haben müssen, sondern auf den kleinasiatischen Raum bezogen werden können. Erst im Verlauf der griechischen Kolonisation des Schwarzmeerraumes dürfte mit der Erkundung der von den Skythen besiedelten Küstengebiete des Schwarzen Meeres die "Identifizierung" der Urheimat der kimmerischen Horden - sicherlich unter Einfluß der "Arimaspea" - erfolgt sein. Dafür spricht auch, daß keine der weiteren frühen Dichtungen, deren Erzählungen mit Reisen entlang der Küsten des Schwarzen Meeres in mythischer Vorzeit in Verbindung gebracht werden, Kimmerier genau an dem Ort lokalisiert, den sie nach dem Bericht des Herodot zu diesem Zeitpunkt eingenommen haben müßten. Keine der erhaltenen Fassungen der Argonautenerzählung - mit Ausnahme der bereits in die Zeit nach Christi Geburt anzusetzenden Orphischen Argonautika und der Argonautika des Valerius Flaccus - erwähnt auch nur den Namen der Kimmerier.

Die immer wieder als Beweise für die kimmerische Urheimat im pontischen Bereich angeführten Namen, die von dem der Kimmerier abgeleitet sind, finden eine einfache Erklärung. Ebenso wie die Ureinwohner Amerikas - die "Indianer" - ihren Namen der Tatsache "verdanken", daß man das erreichte Festland für Indien hielt und sie demgemäß als "Bewohner Indiens" bezeichnete, können die auf den Namen der Kimmerier zurückgreifenden griechischen Bezeichnungen im pontischen Bereich damit erklärt werden, daß die Griechen, die an der Küste des Schwarzen Meeres auf Skythen trafen, glaubten, die Heimat der nach der Erzählung des Aristeas von diesen verdrängten Kimmerier entdeckt zu haben. Ein Grund, der den Griechen die Rezeption dieser Schlußfolgerung gewiß erleichterte, läßt sich zudem bei Strabon finden. Weil die Skythen die Kimmerier von ihren Wohnsitzen vertrieben hätten, seien diese wiederum in Kleinasien eingefallen; die Skythen aber, die also in den ehemaligen kimmerischen Gebieten siedelten, wurden nun von den Griechen, die ihre Städte am Kimmerischen Bosporos bauten, vertrieben. Die Griechen hätten demzufolge - gewissermaßen als Ersatzleistung - lediglich denjenigen das Land weggenommen, welche die Ursache für die verheerenden Einfälle der Kimmerier in Ionien gewesen seien, zumal die Skythen dieses Land sogar eben diesen Kimmeriern geraubt hätten.

Angesichts der Tatsache, daß die von Herodot behauptete und oft wiederholte Ansicht, die Kimmerier seien von den Skythen aus ihrer nordpontischen Heimat vertrieben worden, sich als falsch erwiesen hat, kann die früheste Erwähnung von "Kimmeriern" in den assyrischen Quellen in der Schreibweise Gimirrai nur als weitere Bestätigung dafür gewertet werden, daß die Angaben des Herodot, die über deutlich vor dessen eigener Lebenszeit liegende Ereignisse Auskunft geben, nur sehr eingeschränkt als historische Tatsachen aufgefaßt werden dürfen. Wenn mit dieser Nennung der Gimirrai bereits für das Jahr 714 v. Chr. "Kimmerier" südlich des Kaukasus nachgewiesen sind, liegt dies fast 100 Jahre vor dem aus herodotischen Angaben errechneten Datum. Jedoch ist auch die Gleichung "Gimirrai = Kimmerier" nicht unproblematisch. Der Umstand, daß mehrsprachig abgefaßte achämenidische Inschriften in der babylonischen Version jeweils dort, wo die altpersische Fassung die Benennung Saka verwendet, statt dessen Gimirri bzw. Gimirrai wiedergeben, zwingt zu dem Schluß, daß die Bezeichnungen "Saken" und "Gimirrai" zumindest zur Perserzeit als synonyme Ausdrücke für die gleiche Völkergruppe in verschiedenen Sprachen angesehen werden müssen. Beispielsweise wies O. Spengler auf zahlreiche Fälle hin, in denen sogar mehrere Namen für ein und dasselbe Volk in einer Sprache existieren: Zum Beispiel stehen die Benennungen Römer und Quiriten, Spartaner und Lakedämonier, Karthager und Punier jeweils nebeneinander; würden entsprechende Dokumente diese parallelen Bezeichnungen nicht bezeugen, müßte auf mehrere Völker geschlossen werden (Spengler 1923, 191). Die aus diesem Umstand resultierenden Fragen, ob bzw. inwieweit von einer "ethnischen Verwandtschaft" zwischen Kimmeriern und Skythen gesprochen werden kann, sind mittels der verfügbaren schriftlichen Quellen nicht zu beantworten.

R. Rolle bezeichnete das mittels schriftlicher Quellen von den Reiternomaden rekonstruierbare Bild aufgrund des Durcheinanders in den Namenbezeichnungen als verwirrend; dadurch könnten zum Beispiel Kimmerier und Skythen oft nicht voneinander getrennt werden, und manchmal seien sogar Verwechslungen mit Medern oder anderen nördlichen Stämmen nicht auszuschließen. Da Rolle dies aber als "Schwierigkeiten im Detail" abtat (Rolle 1977, 299), entzog sie jeder historischen Betrachtungsweise den Boden, denn die Brauchbarkeit der Interpretation von Schriftquellen ist zweifellos auch von der eindeutigen Identifizierung der Handlungsträger abhängig. Wenn allerdings selbst das mittels der schriftlichen Quellen von den Reiternomaden rekonstruierbare Bild "als verwirrend" bezeichnet werden kann, stellt sich - zumindest für den Vor- und Frühgeschichtler - die Frage, ob archäologisch auswertbare Quellen bessere Ergebnisse liefern.

W. Orthmann behauptete, daß Kimmerier sich bisher in Kleinasien archäologisch "kaum" nachweisen lassen und daß es auch für ihren Durchzug durch Transkaukasien keinerlei Belege gibt; nur einzelne Funde aus dem Iran könnten mit den dort ansässig gewordenen Skythen in Verbindung gebracht werden, ebenso wie in Georgien einige Fundobjekte "möglicherweise" auf den Aufenthalt dieser Völkerschaften hinweisen würden (Orthmann 1995, 28). Somit lassen sich die Kimmerier in einem Bereich, in dem sie nach Aussage der schriftlichen Quellen äußerst aktiv gewesen sein müssen, archäologisch quasi nicht nachweisen. Auch der Versuch von A. Ivancik, das "Problem der kimmerischen archäologischen Kultur" durch Untersuchung archäologischer Hinterlassenschaften im anatolischen Bereich zu lösen (Ivancik 1997), muß als gescheitert betrachtet werden, da es ihm nicht gelungen ist, eindeutig den Kimmeriern zuzuordnende Funde zu identifizieren. Wenn jedoch aus dem einzigen Bereich, in dem die Kimmerier nachweislich mehrere Jahrzehnte verbrachten, keine zweifelsfrei diesem Volk zuweisbaren Gegenstände benannt werden können, scheint es prinzipiell unmöglich zu sein, überhaupt archäologische Belege für die Anwesenheit von Kimmeriern zu liefern. Hier sei noch einmal daran erinnert, daß die bisherige Zuordnung einiger archäologischer Fundgruppen zu den Kimmeriern allein auf der schriftlichen Quellen entnommenen Behauptung beruht, daß diese direkt vor den Skythen die Bewohner der nordpontischen Steppengebiete waren. Dadurch, daß sich herausgestellt hat, daß diese Behauptung falsch ist, zeigt sich allerdings auch die Unzulässigkeit der Versuche, das in den nordpontischen Steppen als "vorskytisch" angesehene Material in Kleinasien als Hinterlassenschaften der Kimmerier identifizieren zu wollen.

Wir müssen uns wohl damit abfinden, daß die einleitend zitierte Auffassung F. Hancars, mit den von Griechen und Assyrern durch deren schriftliche Überlieferung aus dem Dunkel ihres vorgeschichtlichen Daseins herausgehobenen Kimmeriern begänne die frühgeschichtliche Phase Osteuropas, falsch ist. Dabei scheinen einerseits Meinungen, welche die Bezeichnung "thrako-kimmerisch" als "pseudohistorisch" abqualifizieren, darauf hinzuweisen, daß sich diese Erkenntnis inzwischen verbreitet hat. Andererseits verdeutlicht der weiterhin übliche Gebrauch der Benennung "präskythisch", daß die Falschannahme der Ablösung einer "präskythischen" durch eine "skythische Kulturgruppe" - also die Verdrängung einer autochthonen Bevölkerung durch Einwanderung der Skythen - im nordpontischen Bereich immer noch besteht. Auch die Frage, wie die Funde des sogenannten "thrako-kimmerischen Formenkreises" historisch zu deuten sind, ist immer noch nicht abschließend beantwortet.


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