3.1.1.2 Zu barbarischen Kopfbedeckungen

T. Long erwähnte ausdrücklich, daß ein Hut kein gebräuchliches griechisches Bekleidungsstück war und das Tragen eines Hutes in einer griechischen Stadt folglich immer den Fremden kennzeichnete (Long 1986, 86.87). Deshalb könnten Hüte bzw. Mützen als Kriterium für die Unterscheidung von Griechen und Barbaren herangezogen werden. Der Umstand, daß die Barbaren keine einheitlichen Kopfbedeckungen trugen, verspricht die Möglichkeit, sie voneinander abzusetzen.

Während zum typischen Kostüm der Thraker, der direkten nördlichen Nachbarn der Griechen, eine Alopekis genannte Fellmütze gehörte (Raeck 1981, 27), läßt sich indes die Kopfbedeckung der auf attischen Vasenbildern dargestellten Skythen als "hohe, steife Mütze, die manchmal in ein spitzes, manchmal in ein breites Ende ausläuft", beschreiben (Raeck 1981, 10). Diese Schilderung deckt sich im großen und ganzen mit der von M.F. Vos, die aber bemerkte, daß auf Vasen zwei unterschiedliche Varianten dargestellt seien: Mützen mit langen, steifen Spitzen und Mützen mit hoher, ausbauschender Krone. Beide Varianten würden von Anfang an nebeneinander auftreten, wobei jedoch die spitzen Mützen die am häufigsten dargestellten seien (Vos 1963, 41.42). Vos ergänzte diese Aussage außerdem durch die Feststellung, daß diese charakteristische steife Mütze nur bei Skythen erscheine und von der persischen Mütze dadurch unterschieden werden müsse, daß die Kopfbedeckung der Perser im Unterschied zur skythischen aus weichem Material gefertigt sei (Vos 1963, 45).

J. Junge beschrieb den "Spitzhut der Saka tigraxauda" als "eine Form mit steifer, hoher Spitze, die als solche auch auf den späteren achämenidischen Völkerreliefs gekennzeichnet" sei; die "Mütze der Skythen" hingegen habe einen "langen halbsteifen oder weichen Zipfel, der nach hinten oder vorn überfällt" (Junge 1939, 62.63 Anm. 6 Taf. 1). Diese Beschreibung der skythischen Kopfbedeckung findet allerdings keine Bestätigung in den im Nordschwarzmeergebiet gefundenen Erzeugnissen der Toreutik: die skythischen Kopfbedeckungen erscheinen als spitzkonische Mützen, die in Anlehnung an den türkischen Sprachgebrauch oft als Baslyk bezeichnet werden (Klocko 1991, 105; vgl. dazu die Abbildungen in Gold 1984, 113.115). Eine "Unterscheidung" zwischen Skythen einerseits und Saken andererseits ist zudem kaum sinnvoll und in der Forschung auch nicht allgemein akzeptiert 52. Vielmehr wird immer wieder darauf hingewiesen, daß sich die Bezeichnungen Skythen bzw. Saken auf ihre Herkunft aus dem griechischen bzw. persischen Sprachraum ableiten lassen und somit synonyme Benennungen für die gleiche Völkergruppe darstellen (so Shahbazi 1982, 189 Anm. 1).

Gleichwohl führte diese von Junge definierte Unterscheidung zwischen skythischen und sakischen Kopfbedeckungen zu der Frage, ob die Darstellungen von Skythen in der griechischen Vasenmalerei zumindest betreffend der wiedergegebenen Kleidung am "kimmerischen Vorbild" orientiert seien, weil dort Skythen mit der "typischen Spitzmütze der Saken auf ihren Köpfen" abgebildet seien (so Kiechle 1964, 119). Auch K.-W. Welwei äußerte die Vermutung, daß "die typische Sakenmütze ... vermutlich auch von den Kimmeriern getragen" wurde (Welwei 1974, 13 ), ohne jedoch konkrete Beweise für diese Hypothese anführen zu können. Angesichts der Tatsache, daß kein schriftliches Dokument griechischen Ursprungs eine ausführliche Beschreibung kimmerischer Bekleidung hinterlassen hat, scheint es also mehr als fragwürdig zu sein, den Namen der Kimmerier für bestimmte Kleidungsstücke zu benutzen.


52 Müller-Karpe drückte sich sehr mißverständlich aus, als er von einer Unterscheidung zwischen den von der Donaumündung bis zum Don lebenden "Skythen" und den östlich des Don angesiedelten "Saken" im "geographischen Sinne" schrieb (Müller-Karpe 1998b, 10), zumal er kurz zuvor selbst die Termini "Skythen" bzw. "Saken" als Pauschalbezeichnungen für die in den eurasischen Steppen lebenden Nomadenstämme durch die Griechen bzw. die Perser bezeichnet hatte (Müller-Karpe 1998b, 9).


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