3.2.2 Die "kimmerischen Orthostadia" des Aristophanes

Auch Aristophanes scheint den Namen der Kimmerier in seiner im Jahr 411 v.Chr. uraufgeführten Komödie "Lysistrata" (vgl. Sommerstein 1977) zur Charakterisierung eines Bekleidungsstückes verwendet zu haben. Kalonike, die Nachbarin der Titelfigur Lysistrate, erwähnt unter den Kleidern, die ihr die Verkörperung des luxuriösen Lebens sind, auch "kimberik Orthostadia" (Aristoph. Lys. 45). Im Lexikon Aristophanicum von J. Sanxay findet sich unter dem Stichwort "Kimberikon" nur die Mitteilung, daß es sich um ein Kleidungsstück handele (Sanxay 1811). Auch U. von Wilamowitz-Moellendorf verweigerte sich einer Interpretation dieser "kimberischen Orthostadia" des Aristophanes und behauptete vielmehr, "was "kimberika" waren, wußten [bereits] die Grammatiker nicht mehr" (Wilamowitz-Moellendorf 1927, 125). In gleicher Weise konnte auch A.H. Sommerstein lediglich darauf hinweisen, daß zwar Scholiasten und Lexikographen die Bezeichnung "Kimberisch" von einer Ortsbezeichnung ableiteten, dabei allerdings keinen in Frage kommenden Ort eindeutig bestimmen konnten; vergleichsweise problemlos erscheint die Deutung des Terminus "Orthostadia", indem deren wesentliche Eigenschaft den Namen geprägt haben soll: dieses Kleid wurde sicherlich ohne Gürtel getragen und fiel aus diesem Grunde "geradlinig" von den Schulter herab bis zu den Füßen (vgl. Sommerstein 1990, 147). Pollux, der im zweiten Jahrhundert n.Chr. lebte, beschreibt den "kimberikon" nur als durchsichtigen Chiton, ohne auf weitere Eigenschaften des Kleides einzugehen (Poll. VII 49). Diese Deutung der "kimberischen Orthostadia" als durchsichtiges Kleid legte dem Pollux die Lysistrate allerdings selbst in den Mund (vgl. Aristoph. Lys. 48). J. Henderson wies immerhin darauf hin, daß sowohl die Schreibweise als auch der Ursprung und die Bedeutung dieser Benennung unsicher sei, sprach allerdings weiterhin auf die häufig hergestellte Verbindung zu den Kimmeriern an (Henderson 1987, 72), ohne dies jedoch näher auszuführen. Auch T. Long charakterisierte die von ihm durchgängig als "kimmerika orthostadia" bzw. "kimmerischen Chitons" bezeichneten Kleider durch deren Faltenwurf (Long 1986, 84), ließ sich dabei aber von der Vorstellung leiten, daß das Aussehen dieser "kimmerischen Orthostadia" durch die Kenntnis "kimmerischer Bekleidung" angeregt sei 79. In der Anmerkung aber, die Erläuterungen zu dieser angesprochenen "kimmerischen Bekleidung" verspricht, verwies Long auf bildliche Darstellungen von Skythen, die belegen sollen, welches die allgemeine Vorstellung der Griechen von "skythischer Bekleidung" war (Long 1986, 185 Anm. 37). Indem Long hier "skythisch" gewissermaßen synonym für "kimmerisch" gebrauchte, unterstellte er auch Aristophanes eine entsprechende Verwendung dieser Benennungen. Sollte Long damit recht haben, so stellt sich allerdings die Frage, warum Aristophanes nicht von "skythischen Kleidern" schreibt. Unter Umständen diente die Verwendung des Namens der Kimmerier allein der Betonung der von Long behaupteten Exotik dieser "kimmerika orthostadia" als vermeintlichen Import 80 aus dem fernen Norden.


79 "Cimmeric orthostadion is a style for some reason associated with an area but certainly not imported from there. The reason for the association, we might add, give what we know about Cimmerian clothing, would be more than difficult to offer" (Long 1986, 85).
80 Vgl. hierzu das Zitat in Anmerkung 79.


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