4.2.2.3 Zum Zeitpunkt des Wechsels der Herrschaft von den Medern zu den Persern

Probleme insbesondere für eine mit den Angaben des Herodot ausgearbeitete Absolutchronologie bereitet außerdem ein bisher noch nicht ausdrücklich genannter Unsicherheitsfaktor beim Übergang von den medischen zu den persischen Herrschern. Das Jahr der Absetzung des letzten Mederkönigs kann - wie bereits erwähnt - unter Benutzung der Babylonischen Chronik auf das Jahr 549 v.Chr. bestimmt werden. Der Beginn der Herrschaft des Persers Kyros läßt sich jedoch aus den Angaben des Herodot auf das Jahr 560 v.Chr. berechnen, wie auch der Kanon das Todesjahr des Kyros mit dem dritten Jahr der zweiundsechzigsten Olympiade wiedergibt und ihm zusätzlich 30 Jahre zuweist (Montzka 1902, 394). Herodot erweckt aber den Eindruck, daß die Absetzung des Meders Astyages und die Thronbesteigung des Persers Kyros als Ereignisse desselben Jahres aufgefaßt werden müßten (vgl. Hdt. I 130) 137. Die 29 Jahre, die uns Herodot für die Regierung des Kyros angibt, umfassen aber nicht nur die Jahre seiner Herrschaft über Meder und Perser, sondern enthalten ebenfalls einen zehnjährigen Zeitraum, in dem er bereits Herrscher nur über die Perser und noch Vasall des Astyages gewesen sein muß (Drews 1969, 6). Folgt man dem von Herodot vermittelten Eindruck, ergibt sich somit eine Verschiebung aller medischen Daten um zehn Jahre. Da man auch nicht davon ausgehen kann, daß Herodot - wie es etwa moderne Historiker machen können - babylonische oder assyrische Daten zur Berichtigung seiner Ereignisreihen benutzen konnte 138, sollte man für alle über Angaben Herodots erschlossenen Daten, die in die Zeit vor Astyages fallen, eventuell mit dieser rund zehnjährigen Verschiebung rechnen. Dann würde Astyages rechnerisch zwischen 594 und 561 v.Chr. geherrscht haben, was den Kyaxares in die Jahre 634 bis 595 v.Chr. verschiebt. Das hat aber - solange man nur aus Herodot gewonnene Datierungen benutzt - zunächst keinen Einfluß auf die erzielten Ergebnisse, weil Herodot alle Ereignisse immer zueinander in Beziehung setzt. Selbst wenn Datierungen von "außen" ergänzend herangeführt werden, dürften entscheidende Veränderungen nur dann auftreten, wenn Ereigniszeiträume über zeitliche "Fixpunkte" geschoben würden 139. Derartige Auswirkungen können im Rahmen dieser Untersuchung aber nicht detailliert behandelt werden 140.

Herrscher

Dauer

Zitat

Errechnete Zeit

Kyros

29

I 214

560-531 v.Chr.

Kambyses

ca. 7

III 66

530-523 v.Chr.

Smerdis

ca. 1

III 67

522 v.Chr.

Dareios

36

VII 4

521-486 v.Chr.

Xerxes

 

VII 1

485-

Tab. 7: Ausgehend vom Todesjahr des Dareios 486 v.Chr. 141 nach den Angaben des Herodot errechnete Regierungszeiten der persischen Könige.

Es muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß der aus Herodot errechenbare Ansatz 560 v.Chr. für den Beginn der Perserherrschaft Einfluß auf alle Chronologiesysteme haben mußte, die von den antiken Historikern entwickelt wurden, zu deren Hauptquellen auch das Werk des Herodot gehörte (vgl. dazu Montzka 1902, 387.388.394). So kann zwar einerseits für Eusebios gesagt werden, daß dieser die babylonischen Angaben Herodots wegen ihres Mangels an brauchbaren Zahlen und die assyrischen wegen des Mangels an Inhalt nicht verwenden konnte. Aber andererseits war auch für Eusebios das erste Jahr des Kyros ein Angelpunkt der Chronologie, und so muß die Gleichsetzung des ersten Jahres des Kyros mit dem Beginn der Perserherrschaft und deren Datierung auf das erste Jahr der fünfundfünfzigsten Olympiade auch Auswirkungen auf die Berechnung früherer, mit medischer Geschichte in Zusammenhang gebrachter Ereignisse haben.


137 Es scheint, daß Herodot zwar Listen der medischen bzw. persischen Könige vorlagen, er aber nicht erkannte, daß beide voneinander prinzipiell unabhängig waren.
138 Herodot selbst hat dies auch nie behauptet. Zudem hätte sich eine solche Korrektur eben durch Veränderungen in seinen Königslisten auswirken müssen. Eher ist damit zu rechnen, daß Herodot versuchte, eben diese babylonischen und assyrischen Daten an sein vorhandenes Zeitgerüst anzuhängen.
139 Die Eroberung von Niniveh im Jahr 612 v.Chr. kann als solch ein Fixpunkt bezeichnet werden. Allerdings bewirkt eine Verschiebung der Regierungszeit des Kyaxares weder, daß dieses Ereignis aus diesem Zeitraum herausfällt, noch wird durch den dann "rechnerisch" für das Jahr 634 v.Chr. anzusetzenden Regierungsantritt genug Platz für die 28 Jahre der Skythenherrschaft bis 612 v.Chr. geschaffen. Probleme ergeben sich für die Sonnenfinsternis des Jahres 585 v. Chr., die dann nicht während der Regierungszeit des Kyaxares stattgefunden hätte.
140 Es soll aber darauf hingewiesen werden, daß sich so das Fehlen einer auf Kyros bezogenen Jahresangabe für die persische Eroberung von Sardes erklären ließe. Wenn Herodot das Jahr 546 v.Chr. für die Einnahme von Sardes kannte, dürften ihm die 13 Jahre seit 559 v.Chr. für den von ihm errechneten Beginn der Herrschaft des Kyros zu lange gewesen sein, um das von ihm angegebene Motiv für den Feldzug des Kroisos gegen Kyros - Rache für Astyages (Hdt. I 46,1; I 75,1.2) - glaubhaft zu machen. Vielleicht hat Herodot deshalb eine ihm bekannte Jahreszahl einfach weggelassen. Daß die griechische Überlieferung ein Datum kannte, ist aber offensichtlich (vgl. Apollod. bei Diog. Laert. I 38; Eusebios ao. Abr. 1470 = Ol. 58,3).
141 Im vierten Jahr nach der Schlacht von Marathon fiel Ägypten von Persien ab (Hdt. VII 1,3). Im folgenden Jahr starb Dareios, und Xerxes wurde König (Hdt. VII 4). Zwei Jahre nach dem Tode des Dareios unternahm Xerxes den Feldzug gegen die Ägypter (Hdt. VII 7). Vier weitere Jahre dauerten die Rüstungen gegen Griechenland, bis das Unternehmen im fünften Jahr begann (Hdt. VII 20,1). Dieses Jahr läßt sich durch die Nennung des Kalliades als Archon von Athen (Hdt. VIII 51,2) absolutchronologisch bestimmen (vgl. Diod. XI 1,2).


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