4.3.1.3 Erzählung von Griechen und Barbaren

Ein Hellenen und Barbaren gemeinsamer Bericht (Hdt. IV 12,3) läßt uns wissen, daß die in Asien lebenden Skythen von den Massageten bedrängt wurden, darum den Araxes in Richtung Westen überschritten und in das bisher von den Kimmeriern bewohnte Land kamen. Diese berieten deshalb, wie sie dieser Bedrohung begegnen sollten und gerieten darüber in Streit, weil nämlich ihre Könige zur Verteidigung des Landes rieten, während das Volk hingegen der drohenden Gefahr ausweichen und auswandern wollte. Als dann die Abwanderung eines Teils der Kimmerier von den übrigen behindert wurde, soll es zum Kampf gekommen sein. Die Überlebenden der Schlacht begruben die Toten beider Seiten am Fluß Tyras (Hdt. IV 11,4) und verließen das Land, so daß die Skythen von dem nun leeren Land Besitz ergreifen konnten. Die vor den Skythen fliehenden Kimmerier zogen immer am Ufer des Schwarzen Meeres entlang bis nach Asien, während die sie verfolgenden Skythen, sich dabei links des Kaukasus haltend, sie verfehlten und in Medien einbrachen (Hdt. IV 12,3).

Dieser Bericht, der im Gegensatz zu den beiden vorherigen "sagenhaften" beinahe als "geschichtlich" bezeichnet werden kann, liefert überdies "Beweise" für die Behauptung, daß das Land der Skythen einst im Besitz der Kimmerier gewesen sei; Herodot nennt Ortsnamen und Überreste, die "noch jetzt" bekannt seien: eine Stadt und ein Hafen Kimmeria, eine kimmerische Landschaft und eine kimmerische Landenge (Hdt. IV 12,1). Ebenso soll jenes Grab am Tyras, das die im Bruderstreit gefallenen Kimmerier geborgen haben soll und das nach den Angaben des Herodot noch zu seiner Zeit gezeigt wurde (Hdt. IV 11,4), als Beweis dienen 156. Eine derartige "Beweisführung" - nämlich aus den in der Antike oder gar in noch späteren Zeiten üblichen Namengebungen Schlüsse ziehen zu wollen - ist nur eingeschränkt nachvollziehbar. Dies zeigt sich auch, wenn man das Unterfangen der Herleitung des heutigen Namens der Schwarzmeerhalbinsel Krim als Überbleibsel des kimmerischen Namens im nordpontischen Raum (z.B. Boulos 1962, 221; Balcer 1972, 126; Gold 1984, 15) kritisch hinterfragt: der Name Krim läßt sich eindeutig auf das turk-tatarische "qyrym" = "Festung" zurückführen (Zgusta 1955, 16; Harmatta 1976, 19), während diese Halbinsel in der Antike üblicherweise Taurische bzw. Skythische Chersonesos (Strab. VII 4,1; Plin. nat. IV 85) oder einfach die "rauhe" Chersonesos (Hdt. IV 99,6) genannt wurde.

Diese Version kennt also die Kimmerier als erste Bewohner der nordpontischen Steppen, die dem Druck der einfallenden Skythen ausweichen und nach Asien flüchten mußten. Sie bietet aber keinen Hinweis, der eine genauere Bestimmung des Zeitpunktes dieser Ereignisse erlauben würde, sondern schließt nur durch die Erwähnung des Einfalls der die Kimmerier verfolgenden Skythen nach Medien (vgl. Hdt. IV 12) an die Erzählungen des ersten Buches und damit an deren Chronologie an.


156 Ebenso wurde freilich auch auf der im Schwarzen Meer gelegenen "Insel des Achilleus" das Grabmal dieses griechischen Helden gezeigt (Plin. nat. IV 83).


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