7.2.1 Anmerkungen zu den geographisch auswertbaren Angaben in der Odyssee

Bezüglich der geographischen Einordnung der homerischen Angaben in der Odyssee stehen sich zwei Anschauungen direkt gegenüber: Nach der einen soll die gesamte Irrfahrt des Odysseus durch das Mittelmeer westlich von Griechenland bis nach Spanien geführt haben; nach der anderen Ansicht soll sich zumindest ein Teil der Fahrt im Schwarzen Meer abgespielt haben. Als Beleg, daß Homer die geographischen Verhältnisse des Schwarzen Meeres gekannt habe und deshalb die Odyssee in diesen Gewässern spielen muß, wird immer wieder seine Erwähnung der Kimmerier angeführt. Die Behauptung, daß bereits minoische Seeleute das Schwarze Meer erforscht hätten (vgl. Burn 1966, 20), bleibt allerdings ohne überzeugende Bestätigung. Als "Beweis" für mykenische Reisen durch den Bosporos ins Schwarze Meer kann nur das - aus den homerischen Epen herausgelesene - deutliche griechische Interesse an der am Hellespont gelegenen Stadt Troja angeführt werden (so Roebuck 1959, 116). Für die Annahme, daß die homerischen Irrfahrten des Odysseus eher im westlichen Mittelmeer anzusiedeln seien, gibt es andererseits verschiedene Indizien. In Süditalien, auf Sizilien, auf den Liparischen Inseln und sogar in Kampanien und auf Ischia gefundene mykenische Keramik zeigt sehr deutlich, daß bereits in mykenischer Zeit von Griechenland aus in diese italischen Gewässer gesegelt wurde (Phillips 1969, 189; vgl. Taylor 1958).

Die enge Verknüpfung zwischen der Frage nach der geographischen Einordnung der Erzählungen des Homer und der Frage nach der Lokalisierung der homerischen Kimmerier ist somit mehr als deutlich. Versuche, geographisch "auswertbare" Angaben der Odyssee auf das neuzeitliche Kartenbild zu übertragen, führen aber häufig zu Ergebnissen, die sich letztendlich doch nicht mit allen Angaben vereinbaren lassen (vgl. Abb. 24).


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