9.2.1.3 Bemerkungen zur Bezeichnung "Ummân-Manda"

E. Meyer behauptete, daß der Name des "Kimmeriers" Teuspâ für dessen "Nationalität" gar nichts beweisen könne, weil dieser in den Annalen des Assarhaddon auch ausdrücklich als "Mandakrieger" bezeichnet würde; damit wäre er jedoch als Angehöriger des Stammes Manda im Iran gekennzeichnet (Meyer 1954a, 815; vgl. dazu Komoróczy 1977, 53). C.F. Lehmann-Haupt aber erklärte "Ummân-Manda" als allgemeine Bezeichnung für nomadische Nordvölker, die sich aus ummân = "Heer" und manda = "viel, zahlreich" ableiten würde; es sei allerdings möglich, daß sich dieser Ausdruck volksetymologisch an den Namen der Mandai(a) anlehne, eines wahrscheinlich iranischen Stammes, der bereits in den Annalen des Sargon II. Erwähnung findet (Lehmann-Haupt 1920b, 121; 1921, 417). Seit den Zeiten der alten Könige von Akkad wurden in den keilschriftlichen Texten mit "Ummân-Manda" nomadisierende, barbarische Stämme nördlich und nordöstlich des Zweistromlandes bezeichnet (Bittel 1950, 90; Komoróczy 1977, 59-61). So wird in den von der Narâm-Sîn Sage erzählenden Texten aus Sultantepe von verheerenden Niederlagen der akkadischen Truppen gegen diese fremden Eindringlinge berichtet (Cornelius 1963, 167). Mit der zeitlichen Einordnung des Narâm-Sîn, eines Enkels des Sargon I., in die Zeit zwischen 2260 und 2223 v.Chr. (vgl. Orthmann 1975, 36) scheint zumindest die Benennung "Ummân-Manda" selbst - unter Berücksichtigung des sagenhaften Charakters dieser Erzählung - bereits für das dritte vorchristliche Jahrtausend bezeugt. Jedoch wurde bereits darauf hingewiesen, daß dieser Name "Ummân-Manda" - obwohl in späteren Zusammenhängen oft für die Meder und die "Kimmerier" benutzt (Überblick bei Komoróczy 1977, 44-51) - in diesem Kontext wohl für ein anderes "barbarisches" Volk benutzt worden ist (vgl. Gurney 1955, 97). Auch in den sogenannten "hethitischen Gesetzen" werden im Paragraphen 54 (Zählung nach Friedrich 1959) außer fünf namentlich aufgeführten Städten und weiteren Gruppen an erster Stelle "Manda-Krieger" als eine von Frondiensten befreite und damit privilegierte Gemeinschaft genannt (Friedrich 1959, 35; Herzfeld 1968, 132.187). In diesem Privileg der "Manda-Krieger" glaubte J. Friedrich "Vorrechte ... aus der Frühzeit des Reiches" erkennen zu können (Friedrich 1959, 100). Zwar kann mit diesem Beleg allein weder eine geographische noch eine ethnische Einordnung verbunden werden, zumindest aber läßt sich damit das relativ hohe Alter der Benennung bestätigen. Somit dürfte der Ausdruck Ummân-Manda, mit dem Assarhaddon auch den "Kimmerier" Teuspâ charakterisiert, eine Bezeichnung für nomadisierende Stämme im allgemeinen sein, wobei diese in der folgenden Zeit von den Babyloniern wohl auch auf die Meder übertragen wurde (Meyer 1954b, 74.75; Herzfeld 1968, 186). Es ergibt sich sowohl aus dem Kontext von Ereignissen, von denen auf dem sogenannten Nabonid-Zylinder von Sippar berichtet wird (Langdon 1912, 219-230; Drews 1969, 2.3), als auch aus den Nachrichten der Babylonischen Chronik (Schnabel 1925, 82; Grayson 1975, 94), daß die Benennung Ummân-Manda in spätbabylonischen Texten zweifellos Meder bezeichnet (Komoróczy 1977, 46-51). Ob damit allerdings die Benennung Ummân-Manda allein für Gimirrai und Meder bezeugt ist, wie es etwa B. Landsberger und Th. Bauer behaupteten - und zwar bei den ersten als Beiname, bei den zweiten hingegen durchgehend als alleinige Bezeichnung (vgl. Landsberger u. Bauer 1927, 81.82), - kann bezweifelt werden. Das Durcheinander bei den Völkerbenennungen ist vielmehr kaum überschaubar. So hielt es W. Brandenstein für sehr wahrscheinlich, daß zur Zeit des Assurbanipal auch die "Kimmerier" als "Saken" bezeichnet wurden, ebenso wie man in Babylonien zur Zeit des Dareios I. die Saken, in denen meist die Skythen identifiziert werden, gleichermaßen als "Gimirrai" bezeichnete (Brandenstein 1954, 64). So erschien es einigen Forschern zumindest nicht unmöglich zu sein, daß in den Quellen der babylonisch schreibenden Völker die Bezeichnung Ummân-Manda schließlich auch auf Skythen übertragen worden ist (Streck 1916a, CCCLXXVI; Lewy 1925, 5). W. Brandenstein vertrat sogar den Standpunkt, daß mit dem Namen Ummân-Manda "nach allgemeiner Auffassung" die Skythen bezeichnet wurden (Brandenstein 1953/55, 203). Allerdings kann zumindest zur Zeit des Assarhaddon Ummân-Manda zumindest kein geläufiger Beiname der Skythen gewesen zu sein. Auf dem bereits weiter oben erwähnten und in das Jahr 676 v.Chr. datierten Prisma, das von der Niederlage des als Ummân-Manda bezeichneten Teuspâ berichtet, findet sich nämlich auch eine Nachricht über die Vernichtung von Asguzai, in denen die Skythen identifiziert werden, im Gebiet von Manna (Heidel 1956, 15.17); weder den Asguzai noch ihrem ebenfalls genannten Anführer Ispakai wird hier der Beiname Ummân-Manda zuteil.

Die diffuse Verwendung der Bezeichnung Ummân-Manda macht es unmöglich, aus ihrem Gebrauch eindeutige Hinweise auf ethnische Zuordnungen zu gewinnen. G. Komoróczy bezeichnete den Ausdruck als "ethnographischen Topos", der stets aktualisiert werden konnte und somit den jeweiligen Umständen angepaßt wurde (Komoróczy 1977, 67). Dieser Umstand läßt es ratsam erscheinen, von allen Argumentationen Abstand zu nehmen, die sich in ihrer historischen Aussage ausschließlich oder zumindest im wesentlichen auf ethnische Interpretationen der Bezeichnung Ummân-Manda stützen.


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