9.3.1.4 Bemerkungen zur Tracht der Saken

Die Möglichkeit, auf den achämenidischen Reliefs durch Beischriften mehrere Sakengruppen zu unterscheiden, führt zu der Frage, ob es möglich ist, diese anhand ihrer Tracht oder anderer sichtbarer Merkmale gegeneinander abzugrenzen. Dabei bieten die bildlichen Darstellungen auf den Reliefs der achämenidischen Grabanlagen - im Gegensatz zum Relief von Bisutun oder auch zum sogenannten Tributzug in Persepolis - nicht nur die Möglichkeit, die Trachten der unterschiedlichen Sakengruppen miteinander zu vergleichen, sondern erlauben sogar, diesen Vergleich auf die anderen Reichsvölker auszudehnen.

Perser:

Persisches Faltengewand bis auf die Knöchel; steife persische Kappe; Dolch vorne im Gürtel quergesteckt; rund geschnittener Kinnbart.

Meder:

Medische Reitertracht, eng anliegender Leibrock bis über die Knie, Reithosen mit angesetzten Füßen; Reiterschwert (Akinakes) rechts am Gürtel befestigt und am rechten Bein mit Schlinge festgehalten; kugelige medische Filzkappe mit herabhängendem Band; viereckiger Bart, gegen unten schmäler werdend.

Sogder:

Reitertracht, aber anstatt des glatten Leibrocks des Meders rund ausgeschnittener, frackartiger Rock mit Randborten (Pelzbesatz?); als Kopfbedeckung Baschlik; Akinakes; Spitzbart.

Chorasmier:

Tracht genau wie Sogder.

Saka haumavarga:

Gleiche Tracht wie Sogder und Chorasmier; Baschlik mit stumpfer Spitze; Akinakes; persischer Bart.

Saka tigrachauda:

Gleiche Tracht wie Saka haumavarga, aber Baschlik mit langer, nach hinten gebogener Spitze und krempenartigem Nackenaufschlag.

Saka tyaiy paradaya:

Tracht wie Saka haumavarga und Saka tigrachauda, Mütze wie Saka tigrachauda.

Skudra:

Skythentracht wie Saka haumavarga, Saka tigrachauda und Saka tyaiy paradaya; Kopfbedeckung Petasos oder Spitzmütze; Bewaffnung Akinakes und zwei umgehängte Spieße.

Tab. 9 : Beschreibungen von Tracht, Waffen und Frisur der in Trachtgruppe IV zusammengefaßten Völker. Zum Vergleich Beschreibung der Meder und Perser (nach Walser 1966, 53.54).

Die Darstellungen des von seinen Untertanen getragenen Herrschers sollen einerseits in der Anzahl der Figuren die genaue Summe der Reichsvölker wiedergeben und bieten somit einen Überblick über die tributpflichtigen Mitglieder des Perserreiches. Sie sollen allerdings auch in der "ethnographischen Spezifizierung der einzelnen Gestalten dokumentarisch sein" (Walser 1966, 52). Es stellt sich somit die Frage, wie genau diese Darstellungen die spezifischen Eigenarten der abgebildeten Völker wiedergeben konnten. Zugleich aber kommt auch der Wunsch auf, die von den Persern unterschiedenen Sakengruppen mit aus griechischen Quellen bekannten Skythen zu vergleichen.

Die Analysen von G. Walser führten zu dem Ergebnis, daß sich die 30 auf den Thronträgerreliefs dargestellten Völker in acht Trachtgruppen einteilen lassen. Zur Tracht der Gruppe IV nach Walser gehört ein langärmeliger, eng anliegender und gegürteter Leibrock, der über der Brust ausgeschnitten und unten frackartig abgerundet ist; an den inneren Rändern sind Borten erkennbar, die wohl ein aus Pelz bestehendes Futter anzeigen sollen. Weiterhin sind alle Vertreter dieser Trachtgruppe mit langen und weiten Hosen, die an den Knöcheln geschnürt sind, bekleidet; auf dem Kopf tragen sie eine Mütze mit Spitze und Ohrenlappen. Die Bewaffnung besteht aus einem Akinakes (Walser 1966, 55). Als Völkerschaften, die zur vierten Trachtgruppe gehören, konnten von Walser Sogder, Chorasmier, Saka haumavarga, Saka tigrachauda, Saka tyaiy paradaya und auch Skudra identifiziert werden (vgl. Tab. 9). Den Umstand, daß folglich also mehrere Völker dieselbe Tracht getragen hätten, versuchte Walser damit zu erklären, daß "auch in Wahrheit die Stämme benachbarter Gebiete sich in Kleidung und Ausrüstung wenig unterscheiden" würden (Walser 1966, 54) 519.

Wenn allerdings nicht nur die drei von den Persern namentlich unterschiedenen Sakengruppen sich anhand ihrer Tracht nicht auseinanderhalten lassen, sondern auch die Möglichkeit besteht, daß andere Völker wie Sogder oder Chorasmier anhand von Bekleidung und Bewaffnung mit Saken "verwechselt" werden können, scheint es unmöglich zu sein, auf bildlichen Darstellungen, die nicht durch entsprechende Beischriften erläutert sind, immer eindeutig eine bestimmte Sakengruppe zu identifizieren. So sind beispielsweise Saka tigrachauda und Saka tyaiy paradaya in nahezu gleicher Tracht dargestellt, und beiden Sakengruppen sind spitze und hohe Mützen eigen, deren Tragen aber als Erklärung für die soweit anerkannte Deutung der Benennung Saka tigrachauda angeführt wird. Ob ein Merkmal, das also nicht bestimmten Saken vorbehalten war, sinnvoll zur prägnanten Charakterisierung einer Gruppe benutzt werden kann, ist zweifelhaft. Wenn ferner in den ebenfalls zur Gruppe IV zugeordneten Skudra "europäische Thraker" identifiziert werden können (so Walser 1966, 35), dürfen Ähnlichkeiten im Äußeren nicht mehr als Argument für geographische Nähe der dargestellten Völker benutzt werden.

Es drängt sich der Eindruck auf, daß auch die Perser ihre nomadisierenden Nachbarn nicht eindeutig auseinanderhalten konnten. So erscheint eine Benennung nach geographischen Gesichtspunkten wie Saka tyaiy paradaya = "Saken jenseits des Meeres" bei einem nomadischen Volk wenig sinnvoll. Der Name Saka tigrachauda = "Saken mit spitzen Hüten" wiederum gibt als Beiname nur ein äußeres Merkmal wieder, das mehr oder weniger allen Reiternomaden nachgesagt wurde 520. Demzufolge scheinen diese Beinamen eher dazu gedient zu haben, bestimmte Gruppen zu bezeichnen, wobei auf Eigenbezeichnungen dieser Völker und tatsächlich existierende ethnische Unterschiede sicherlich wenig Rücksicht genommen wurde, soweit diese sich nicht deutlich in deren Aussehen äußerten.


519 Wenn etwa Curtius Rufus in seinen "Historiae Alexandri Magni Macedonis" Sogdier, Daher, Massageten, Saken und Inder auch als Teile einer "Nation" bezeichnet (Curt. VI 3,9.10; vgl. VII 4,6), scheint dieser antike Autor von vergleichbaren Vorstellungen einer "Verwandtschaft" zwischen Völkern auszugehen, die sich zudem in deren geographischer Nähe widerspiegelt.
520 Auch Perser haben solche "Tiaren" getragen (Hdt. VII 61,1).


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