E. Meyer versuchte für die Entscheidung des Gyges, dem Assyrerkönig Assurbanipal zu huldigen, in dem Umstand eine Begründung zu finden, daß "dessen Reich ja seit langem mit den Kimmeriern im Kampfe lag" (Meyer 1954b, 86). In den Annalen Assurbanipals finden sich zwar keine konkreten Angaben über direkte Auseinandersetzungen zwischen assyrischen Truppen und Gimirrai, aber es muß dennoch assyrische Aktivitäten in einem Gimir genannten Gebiet gegeben haben. Ein auf der Tontafel K 883 festgehaltener und der Istar von Niniveh zugeschriebener Orakeltext droht nämlich dem aufständischen Ägypten das gleiche Schicksal an wie Elam und den Gimirrai (Streck 1916a, CLXXIV Anm. 4; Pritchard 1950, 450.451). Die von M. Streck vorgeschlagene Datierung des Orakelspruchs in die Zeit des ersten Feldzuges Assurbanipals nach Ägypten (Streck 1916a, CLXXIII) ließ aber unklar erscheinen, auf welche Elam bzw. "Gimir" betreffenden Ereignisse in dem Text angesprochen wurde. Während der erste ägyptische Feldzug um 668 v.Chr. angesetzt werden kann (Soden 1962, 114; Labat 1967, 84.85), zog sich der Streit mit Elam über einen langen Zeitraum hin. Die um 664 v.Chr. eskalierenden Auseinandersetzungen fanden ihr Ende erst in der Einnahme und Zerstörung Susas im Jahr 640 v.Chr. (Soden 1962, 116; Labat 1967, 86-90) 499.
Auf diese Zerstörung Susas scheint sich auch eine Inschrift auf Tontafelfragmenten des Britischen Museums zu beziehen. Diese geben eine Weihinschrift an den babylonischen Gott Marduk wieder, die auf einer goldenen Räucherschale angebracht gewesen sein soll (Streck 1916a, L.LI). In diesem an Marduk gerichteten Gebet bedankt sich Assurbanipal unmittelbar anschließend an die Erwähnung einer von ihm veranlaßten Verwüstung Elams für die Vernichtung eines Dugdammê 500 genannten Königs 501 der Ummân-Manda. M.N. van Loon interpretierte diesen Text dahingehend, daß die Assyrer die Kimmerier unter ihrem Anführer Dugdammê also kurz nach 640 v.Chr. - das bekannte Datum der Einnahme Susas - besiegt hätten; nach dieser Niederlage seien die Kimmerier vom Schauplatz der Geschichte verschwunden (Van Loon 1966, 21).
Zunächst gibt die Inschrift selbst keinen Hinweis darauf, daß es sich bei diesem Dugdammê um einen Kimmerier bzw. um einen Gimirrai gehandelt habe: Er wird hier nur "König der Ummân-Manda" genannt (vgl. Ivancik 1993, 118). Die Benennung Ummân-Manda ist aber ansonsten bei den Gimirrai einzig als Beiname bezeugt (Landsberger u. Bauer 1927, 81), wie die Bezeichnung des Teuspâ durch Assarhaddon belegt, der diesen Gimirrai und zugleich Ummân-Manda nennt. Wenn Dugdammê vielfach als Kimmerier bezeichnet wird, so beruht dies auf der Annahme, daß in ihm der Lygdamis identifiziert werden kann, von dem Strabon berichtet, daß er in Kilikien ums Leben gekommen sei (Strab. I 3,21) 502. Allerdings macht auch Strabon keine eindeutige Aussage über die "Stammeszugehörigkeit" dieses Lygdamis, den er zwar "Anführer einer eigenen Horde" nennt, um aber direkt anschließend von den Einfällen der Kimmerier und der Trerer zu berichten 503. Eine Verschreibung des Namens Dugdammi in der griechischen Literatur zu "Lygdamis" aus "Dygdamis" ist hierbei durchaus vorstellbar (so Lewy 1925, 3), auch wenn dies gelegentlich als "ganz undenkbar" bezeichnet wurde (z.B. Meyer 1954b, 134 Anm. 1). Gegen eine iranische Bildung 504 des Namens Dugdammi bzw. "Lygdamis" wandte sich allerdings G. Schramm, der von einer einheimisch-kleinasiatischen Herkunft dieses Namens ausging (Schramm 1973, 214; vgl. Zgusta 1955, 17), zumal gerade für "Lygdamis" auch Namensträger eindeutig griechischer Herkunft bezeugt sind (vgl. Hdt. I 61,4; I 64,2; VII 99,2).
Nicht nur die Deutung des Dugdammê als "Kimmerier" ist umstritten, sondern auch die Datierung dieser Weihinschrift ist - und damit auch das Todesjahr des Dugdammê - nicht eindeutig bestimmt. Die Inschrift wurde häufig um das Jahr 650 v.Chr. angesetzt, weil in der Erwähnung eines Erfolges gegen Elam auch ein Hinweis auf den gegen Teumman gerichteten Feldzug um 653 v.Chr. gesehen werden kann (Streck 1916b, 276 Anm. 5; Ivancik 1993, 101). Bestärkt wurde dieser Ansatz durch die Annahme, daß die von Strabon über Lygdamis mitgeteilten Ereignisse - die Eroberung von Sardes und der anschließende Tod in Kilikien (Strab. I 3,21) - mehr oder weniger kurz hintereinander erfolgt seien, wobei Lygdamis auch der Sieg über Gyges und die Eroberung von Sardes im Jahr 652 v.Chr. zugeschrieben wurde (vgl. Streck 1916b, 281 Anm. 10; 283 Anm. 8). Ausgehend von dem Umstand, daß das Gebet sich an Marduk, den obersten Gott Babyloniens richtet, versuchte C.F. Lehmann-Haupt hingegen zu beweisen, daß die Inschrift erst aus einer Zeit stammen könne, in der Assurbanipal auch König von Babylon gewesen ist, also nach 648 v.Chr. Weil der Untergang des Dugdammê außerdem keinen Widerhall in den Annalen des Assurbanipal fand, deren Endredaktion in die Zeit des Eponymat des Samasdaninanni in den Jahren 637 bzw. 636 v.Chr. fällt, müßte dieser sogar in der Zeit zwischen 636 und 626 v.Chr. stattgefunden haben, wobei Lehmann-Haupt eher zu einem Zeitpunkt nahe 636 v.Chr. hin tendierte (Lehmann-Haupt 1920b, 27-29; 1921, 417.418). Dagegen argumentierte J. Lewy - von der Inschrift ausgehend, die in Zeile 14 von der Vernichtung Elams "in fernen Tagen" berichtet - für eine Datierung der Inschrift und damit des Untergangs des Dugdammê eher zum Ende der Regierungszeit des Assurbanipal um 627 v.Chr. hin (Lewy 1925, 7.8 Anm. 4). Der Bericht Strabons, daß Lygdamis in Kilikien ums Leben gekommen sei, veranlaßte H. Kaletsch sogar zu der Aussage, daß Dugdammê um 630 v.Chr. vom kilikischen König besiegt wurde, weil Kilikien zu dieser Zeit von Assyrien nahezu unabhängig gewesen sei (Kaletsch 1958, 36 Anm. 98).
Als gesichert darf hingegen gelten, daß Dugdammê nicht von assyrischen Truppen besiegt worden ist. Die Inschrift gibt an, daß Marduk selbst ihn vernichtet habe, was bedeuten muß, daß Assurbanipal seines Gegners durch irgendeinen äußeren Umstand ledig wurde (Landsberger u. Bauer 1927, 81). Jedoch gibt keine Quelle auch nur den geringsten Hinweis darauf, welcher Gegner den Untergang des "Königs der Ummân-Manda" herbeigeführt hatte. So muß auch die Vermutung von F.W. König, daß "andere Ummân-Manda", zu denen er Ionier, Karer und "Teile der Kimmerier" zählt, für die Niederlage des Dugdammê verantwortlich seien (König 1934, 38.39), als Spekulation bezeichnet werden. Es muß sogar bezweifelt werden, daß die Inschrift überhaupt zur Bestätigung der Mitteilung des Strabon verwendet werden kann, daß die Niederlage des Lygdamis bzw. Dugdammê in Kilikien stattgefunden habe. J. Lewy übersetzte die Zeile 20 der Inschrift nämlich wie folgt: "Und den Dugdammi, König der Ummân-Manda, hast du (Marduk) am Ufer des Meeres geschlagen", was er dahingehend interpretierte, daß die Kimmerier an einer assyrischen Seeküste, welche nach den Verhältnissen des siebten Jahrhunderts v.Chr. nur die Küstenebene bei Tarsus sein konnte, geschlagen wurden (Lewy 1925, 2.3). Diese Übersetzung soll jedoch auf einer falschen Lesung e-lis ti-amat tam-has in Zeile 20 beruhen (Landsberger u. Bauer 1927, 80), der folgende gegenübersteht: Ù tug-dam-me-i sar ummân-man-da tab-nit ti-amat tam sililu [gallê?], die M. Streck so übersetzte: "Und Tugdammê, der König der Ummân-Manda, das Geschöpf der Tiâmat, das Ebenbild [eines Teufels?]" (Streck 1916b, 280.281; vgl. Ivancik 1993, 119). Assurbanipal hätte also den Dugdammê verächtlich als eine Ausgeburt des Chaosdrachens Tiâmat tituliert, was schon deshalb als wahrscheinlich gelten kann, da er dem Marduk diesen Sieg zuschreibt. Als Hauptwaffe des Marduk ist aber die "abûbu" genannte "Licht- und Sturmflut" bekannt, deren er sich vor allem im Kampf gegen eben diesen Tiâmat genannten Chaosdrachen bediente (Streck 1916b, 277 Anm. 8). Akzeptiert man diese Lesung, so enthält der Text der Weihinschrift keine geographisch auswertbare Aussage über den Ort der Niederlage des Dugdammê mehr. So muß auch gefragt werden, ob die Inschrift beweisen kann, daß Kimmerier längere Zeit in einem Gebiet östlich des Halys siedelten. Die Inschrift behauptet nämlich auch, daß Dugdammê einen bei Marduk beschworenen Vertrag, demzufolge er die Grenzen Assyriens respektieren solle, gebrochen habe (Landsberger u. Bauer 1927, 80). J. Lewy folgerte daraus, daß Assurbanipal mit Dugdammê nicht nur einen "Staatsvertrag" abgeschlossen habe, "der feste Grenzen voraussetzt", sondern auf ihn auch die Bezeichnung Ummân-Manda übertragen habe, daß die unter der Führung des Dugdammê stehenden "Kimmerier" in Kappadokien zumindest vorübergehend zu "staatlicher Konsolidierung" gelangt seien, da diese Bezeichnung für den östlich des Halys gelegenen Teil Kleinasiens "schon Jahrhunderte zuvor gut bezeugt ist" (Lewy 1925, 3). Allerdings müssen für einen "Vertrag", der die Respektierung des assyrischen Gebietes zum Inhalt hat, nur "feste Grenzen" Assyriens angenommen werden, während Dugdammê als "Vertragspartner" durchaus der Führer einer entlang dieser Grenzen nomadisierenden Gruppe gewesen sein könnte.
Diese an Marduk gerichtete Weihinschrift stellt das jüngste mit Kimmeriern in Verbindung gebrachte Dokument assyrischen Ursprungs dar. Zwar nennt die Inschrift auch einen Sohn des Dugdammê, der nach dem Tod seines Vater die Führung der Ummân-Manda übernommen habe, namentlich. Aber bereits die Lesung des Namens und dessen Deutung ist nicht unumstritten (vgl. Mayrhofer 1981). Zwar wird dieser zumeist Sandaksatru gelesen, wobei eine gebräuchliche Deutung des Namens - von einer iranischen Herkunft ausgehend - "reine Herrschaft (khsatra) besitzend" ist (Streck 1916b, 283 Anm. 5; vgl. Schramm 1973, 213.214; Kammenhuber 1980, 596), aber M. Mayrhofer wies darauf hin, daß der Name ebenso "Sandakurru" gelesen werden könne (Mayrhofer 1981, 188). Mayrhofer lehnte außerdem die Deutung des Namens als "zusammengestoppeltes Kompositum aus einem indoarischen und einem indo-iranischen Einzelwort" ab (Mayrhofer 1981, 187). A. Ivancik schlug vor, den ersten Bestandteil des Namens des Dugdammê-Nachfolgers auf den Gott Sanda zurückzuführen, dessen Kult in Kleinasien bis in die klassische Zeit bekannt war (Ivancik 1993, 121.122), wobei der Name bei dieser Ableitung anatolische Einflüsse erkennen lasse. Ivancik wies jedoch auch darauf hin, daß dynastische Namen sich nur selten dazu eignen, die ethnische Herkunft eines ganzen Volkes zu belegen.
Während der Name selbst vergleichsweise deutlich zu lesen ist, ist der Rest der folgenden Zeile 25 bedauerlicherweise verderbt. M. Streck schlug als Ergänzung dieser Zeile folgenden Text vor: "Den Sandaksatru, seines Leibessprossen, welchen sie an seine Stelle gesetzt hatten, werde ich [zu Boden stürzen]" (Streck 1916b, 283 Anm. 9), und ließ hierdurch auf den baldigen Tod des Sandaksatru schließen. J. Lewy hingegen ergänzte und übersetzte dieselbe Zeile folgendermaßen: "Sandaksatru, sein eigener Sohn, den sie an seine Stelle setzten, [kehrte] i[n sein Land zurück]" (Lewy 1925, 3). So muß das weitere Schicksal des Sandaksatru unbekannt bleiben, und mit ihm das der von ihm geführten Ummân-Manda. Somit bleiben Überlegungen wie die von H. Kaletsch, daß die mit den Ummân-Manda gleichsetzten Kimmerier anschließend im kappadokischen Raum verblieben seien, reine Vermutung (vgl. Kaletsch 1958, 36), auch wenn der Sachverhalt, daß die Armenier Kappadokien als "Gamirkh" - also als "Kimmerien" - bezeichnet hätten, häufig als Beweis dafür gewertet wird, daß Kimmerier "mit diesem Land länger verbunden" waren (z.B. Bittel 1950, 93).
499 | Ähnliche Bedenken führten M. Streck selbst zu der von ihm allerdings unbeantworteten Frage, ob der Hinweis auf Elam und Gimir etwa erst bei einer späteren Redaktion der Orakeltexte eingeschoben worden sei. |
500 | Neben Dugdammê finden sich auch die Schreibweisen Dugdammi und Tugdammê. |
501 | Dieser dem Dugdammê zugestandene Titel sollte sicherlich die Größe der Gefahr unterstreichen, die von diesen Ummân-Manda ausgegangen war, denn eine vergleichbare Anrede war dem Teuspâ versagt geblieben. |
502 | Vgl. dazu auch Kap. "6.1.2 Die Kimmerier unter Lygdamis". |
503 | Somit veranlaßt lediglich der Umstand, daß Strabon im gleichen Zusammenhang einen Kobos als Anführer von Trerern nennt, zu der Annahme, daß damit der Lygdamis ein Anführer von Kimmeriern gewesen sein muß. |
504 | Als iranische Völker nennt G. Schramm Kimmerier, Skythen, Meder und Perser. |
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